„Aah, dann musst du ja auf Knopfdruck kreativ texten!“, ist eine der häufigsten Reaktionen, wenn ich jemandem erzähle, dass ich Texterin bin. Dabei hat das mit meiner Arbeitsrealität wenig zu tun. Ich erzähle dir, wann es sich lohnt, kreativ zu texten – und wann du‘s besser lässt

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Vor einiger Zeit kontaktierte mich ein Webdesigner bei Instagram, um mich für ein Website-Projekt mit ins Boot zu holen. Ein Pflegedienst hatte bei ihm einen Online-Auftritt in Auftrag gegeben, und weil er meinem Content bei Insta folgte, fragte er, ob ich Lust und Zeit dazu hätte. Hatte ich!

Also wurden wir für ein paar Wochen ein Dreiergespann, das zusammenarbeitete – er, ich und der Chef des Pflegeteams. Dabei stellte sich (zumindest für mich) bald heraus, dass es sich bei dem Pflegedienst um einen eher konservativen Kunden handelte.

Zielgruppe waren die Angehörigen von Pflegebedürftigen. Denen sollte auf der Website vermittelt werden, dass sich der Pflegedienst schnell und unbürokratisch um neue Pflegefälle kümmert. Funktionalität und Vertrauen standen ganz oben auf der Wunschliste.

Aber je länger ich mich mit dem Webdesigner abstimmte, desto deutlicher wurde, dass wir unterschiedliche Vorstellungen von den Texten hatten. Er bat mich öfters um Korrekturen, bevor ich sie final an den Kunden schickte. Hier noch ein bisschen knackiger. Dort weniger Floskeln. Und dieser Call to Action – zu gewöhnlich, das geht auch spannender.

Irgendwann dämmerte mir, dass er auf Instagram wahrscheinlich vielen Textern (einschließlich mir) folgte, die dort erzählten, wie man sich mit Texten abheben und gut verkaufen kann. Wie man originell schreibt. Kreativ textet. Die Leute aufweckt und für ein Schmunzeln sorgt.

Und solche Texte wollte er jetzt auch gern für den Pflegedienst haben. Aus meiner Sicht war das aber überambitioniert.

Denn manchmal dürfen Texte schlicht Informationen vermitteln, statt durch Wortgewandtheit aufzufallen.

 

Und in diesem Fall waren kreative Texte einfach nicht nötig.

Texten ist nicht immer gleich Texten. Wie in allen Berufen muss ich mich in verschiedenen Bereichen auskennen, die gar nicht so viel miteinander zu tun haben:

  • Ich brauche Marketingkenntnisse, z. B. wie bekommt man online mehr Reichweite? Wie funktioniert ein Funnel? Lieber Print oder Social Media?
  • Ich muss wissen, wie ein Text aufgebaut ist, also z. B. was unterscheidet einen Flyer-Text von einem Web-Text? Aus welchen Elementen besteht eine Startseite? Wann brauch ich einen Call to Action, einen Teaser oder Bullet Points?
  • Für Online-Texte brauche ich Kenntnisse in Suchmaschinenoptimierung: Wie bringt man Seiten bei Google nach vorn? Wo recherchiere ich Keywords? Wie geht technisches SEO?
  • Ich muss mich mit Verkaufspsychologie auskennen: Was muss man schreiben, um einen Kunden zum Kaufen zu animieren?
  • Ich brauche ein Gespür für Stil und Stilmittel: Habe ich genügend Synonyme im Text, sind die Sätze nicht zu lang, ist der Grundton positiv, habe ich Hilfsverben und Nominalstil vermieden? Liest sich der Text leicht und flüssig?
  • Ich sollte möglichst rechtschreibsicher sein und nich so fiele Feler in die Tekste buttern, lol
  • Schnittmengen gibt es außerdem mit den Bereichen Launchen, Ads schalten, PR und noch viele weitere.

Das sind alles wichtige Skills, die aber nichts mit Kreativität zu tun haben.

Aber gehört kreativ texten nicht auch zum Berufsbild? Ja, schon – aber eher in Werbeagenturen.

Und dort habe ich gearbeitet, bevor ich mich selbständig gemacht habe.

Werbeagenturen betreuen je nach Umfang KMU oder die ganz großen Marken. Ich war in einer Agentur, die damals für Kunden wie Bauhaus, Optiker Bode, Stepstone zuständig war. Und die brauchten nicht nur Texte, sondern ganze Kampagnen.

Also fetzige Dach-Ideen, die man dann auf sämtliche Werbemittel runterbrechen kann. Dazu gehörten auch TV- und Radiospots und Anzeigen. Und DAS waren die wirklichen Tummelplätze für kreatives Texten.

Wenn mich zu dem Zeitpunkt jemand gefragt hat, ob das ständige sich was Ausdenken denn nicht stressig sei – ja, war es teils. Einerseits gab es da natürlich einen gewissen Druck, andererseits hatte ich auch Spaß daran, mir Stories aus dem Ärmel zu schütteln. Und es gibt ja auch Kreativitätstechniken, die man trainieren und durch die man auf Ideen stoßen kann. Ich konnte dort mit Sätzen spielen, Textregeln brechen, Wortwitze kreieren und einfach mal rumspinnen.

Rückblickend war es also durchaus eine Umstellung für mich, als ich mich selbständig gemacht habe. Die Kunden, die ich nun hatte, brauchten natürlich keine TV-Spots oder Riesenplakate, sondern wollten einfach ne Website. Und die benötigten keine kreativen Texte.

Stattdessen ging es darum, bei Google gefunden zu werden und dann dem Website-Besucher möglichst fix eine Lösung für sein Problem zu servieren. Wortspiele und Spinnereien Fehlanzeige. Also verabschiedete ich mich von meiner alten Art zu texten und stellte mich auf die Bedürfnisse meiner eigenen Kunden ein.

Texte ich heute überhaupt noch kreativ? Klar, und zwar bei 3 Gelegenheiten:

 

1. Wenn es zum Kunden passt

Es gibt Kunden, bei denen sich kreative Texte anbieten, und Kunden, bei denen ich‘s lasse. Der Pflegedienst ist aus meiner Sicht ganz klar besser bedient ohne Extravaganzen. Ein Call to Action darf einfach „Erstgespräch buchen“ heißen und eine Über-uns-Seite darf die Headline „Lernen Sie unser Team kennen“ haben.

Aber wenn der Kunde kein, ich sag mal, „ernstes“ Business hat und vielleicht sogar selbst nach augenzwinkernden Texten fragt, kann man da natürlich kreativ rangehen.

 

2. Bei Slogans

In drei bis fünf Worten sagen, was ein Unternehmen ausmacht – das geht. Wortgewandtheit und Kreativität liegen folglich in der Natur eines Slogans. Kreativität bedeutet hier aber nicht automatisch Witzischkeit. Beispiel Ebay: „Drei, zwei, eins – meins“ ist wortgewandt, aber kein Schenkelklopfer.

 

3. Auf Instagram

Auf Instagram werde ich oft für mich selbst und meine Kunden kreativ. Denn dort sind wir eine von vielen. Ich werbe bei IG für mich als Texterin, aber gleich nebenan gibt es noch fünfhundert andere Accounts von Textern, die das genauso machen. Wie kann ich dort also aus der Masse herausstechen?

Indem ich mir was einfallen lasse. Und potentielle Kunden, die bei Insta nach Textern suchen, wissen Kreativität zu schätzen. Das zeigt mir das unmittelbare Feedback, das ich auf meinen Content bekomme. Bei Instagram kann ich mir das Rumblödeln und Ausprobieren bewahren, das ich in der Werbeagentur gelernt habe.

Ich kann mir ausdenken, wie ein paar Satzzeichen in der Klapsmühle sitzen und sich unterhalten:

Setting:

Ein leerer weißer Raum, Gitter vor den Fenstern, auf quietschenden Stühlen hocken der Punkt, der Doppelpunkt, das Fragezeichen und das Ausrufezeichen. Schritte nähern sich vom Flur, ein Mann im Arztkittel und mit Klemmbrett unterm Arm öffnet die Tür.

Therapeut: Moin, liebe Satzzeichen, wie geht’s uns denn heut?

Der Punkt: Beschissen. Dieser Fraß hier, ich kann das nicht essen. Und das Fragezeichen und das Ausrufzeichen nerven mich zu Tode.

Das Fragezeichen: Hm? Wer? Ich jetzt? Wieso? (…)

 

Oder ich mache mich über bestimmte Schreibstile lustig:

Der Atemlose

Schreibt kurze Sätze. Sehr kurze. Huh, er ist cool. So klingt er immer wie Bruce Willis. Oder Bond. James Bond. Die Kürze. Die Würze. Echt jetzt. Gänsehaut.(…)

 

Du siehst also:

Kreativ zu texten ist ne feine Sache und kann dir Aufmerksamkeit und neue Kunden bescheren. Aber sie muss auch passen.

Wenn du Lust auf mehr Textspielereien hast, schau gern mal auf meinem Instagram-Account vorbei!