Wir sehen und hören die Menschen nicht, mit denen wir im Web schreiben. Das bringt die unschönen Seiten in uns hervor.

 

Mein Handy piept, eine Nachricht ist bei Instagram eingegangen. Anke, Pferdewirtin aus Schwerin, kommt ohne Umschweife zum Punkt:

„Machst du auch Layout?“

An das Gute im Menschen glaubend, lächle ich mein Display an und antworte:

„Hallo Anke! Nein, das überlasse ich lieber meiner Designpartnerin. Ich bin Texterin. Kann ich dir damit irgendwie weiterhelfen? Viele Grüße, Lena“

Ich sehe dann am Status, dass Anke meine Nachricht liest. Antworten tut sie – nichts.

Willkommen im Web des Jahres 2022, in dem Produkte verkauft und Dienstleistungen angepriesen werden, wo der Erfolg in Followern gemessen wird und jeder seine eigene beste Version ist.

Dazu nehme man noch zwei Zutaten:

– die Anonymität des Webs
– und ein Machtverhältnis: Der Kunde ist König, der Anbieter braucht den Kunden.

Dabei heraus kommt dann sowas wie mit Anke: Menschen, die sich nicht um Umgangsformen scheren, sondern sich verhalten, wie das für sie selbst am bequemsten ist. Wir stehen unseren Gesprächspartnern nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüber; Zuhause mit dem Smartphone auf der Couch kann einem ja keiner was.

Dabei muss man noch unterscheiden zwischen der Website und Kanälen wie Facebook und Instagram. Auf unserer eigenen Website haben wir Hoheitsrecht, dort müssen wir uns nicht so viel auseinandersetzen wie auf Social Media. Aber dort steppt der Kommunikationsbär dann umso mehr:

 

Zuerst mal sind die Kaltakquise-Sprachnachrichten.

 

„Möönsch Halloooo, du, Lena, was für ein tolles Profil du hast, echt stark, und da wollte ich dir mal Hi sagen und vielleicht können wir uns connecten, wie du ja vielleicht siehst, bin ich Mindset Coach und wenn du Lust hast, lass uns dein Business aufs nächste Level heben! Ciao du, dein Sven.“

Schuldig im Sinne der Anklage, denn Sven hat mir grad eine Minute meines Lebens geraubt, weil ich mir seine Nachricht anhören musste.

Dann gibt es da die Accounts von Social-Media-Experten, die ihre Posts „Truthbomb“ nennen und dir mitteilen, dass du nur allein Schuld bist, wenn du nicht aus‘m Quark kommst und 20.000 Umsatz im Monat machst.

Und natürlich die Leute, die unter die Posts schreiben „Cooler Beitrag! Schau auch mal bei mir vorbei.“ Die könnten ihr Desinteresse nicht deutlicher machen.

Charmant auch der Follower, der unter einem Post kommentierte: „Gibt’s die Rechtschreibfehler bei dir gratis dazu?“

Diesen Kommentar hab ich gelöscht. Einen Tag später schrieb er wieder: „Und krieg ich denn bei dir auch die Rechtschreibfehler mit dazu, lol“

Ganz abgesehen davon, was alles so passiert, wenn man Dienstleisterin ist und mit doch sehr unterschiedlichen Kunden kommuniziert. Aber ich will dazu kein Fass aufmachen, denn ich weiß ja:

Das ist nicht persönlich gemeint.

Das ist online einfach so und das wird sich auch nicht ändern.

Aber jeder kann das für sich selbst durchdenken und sich fragen: Will ich anderen wertschätzend begegnen oder nicht – auch auf Social Media?

Denn auch die schriftliche Form gehört dazu.

Auf der anderen Seite des Bildschirms sitzen tatsächlich echte Menschen, die merken, ob man sie respektvoll behandelt oder nicht.

 

Hier also zuerst mal das Minimum; das Grundgerüst für jede Konversation, die du online führst:

 

Hallo Vorname / Nachname,

bitte (…)

(…) danke.

Grußformel, Vorname / Nachname

 

Weiß doch jeder, sagst du? Warum kriegt’s dann keiner hin? 😀

Außerdem gilt:

Wenn du eine Information anfragst und sie erhalten hast, sag Danke.

Wenn du ein Angebot anfragst und es erhältst, sag Danke – auch wenn du dich dagegen entscheidest.

Sowohl duzen als auch siezen ist online in Ordnung. Pass dich einfach der Ansprache deines Gegenübers an.

Stiehl den Leuten auf Social Media nicht ihre wertvolle Zeit, indem du sie mit unangeforderten (Sprach-)Nachrichten belästigst. Wer immer dir gesagt hat, dass du so Kunden gewinnst, hat keine Ahnung.

Wenn du bei Instagram eine Nachricht oder Reaktion auf deine Story erhältst und keinen Bock zu antworten hast, kannst du immerhin noch ein Herzchen am Text lassen, also ein „Gefällt mir“. Das kostet nichts außer einem Klick und ist zumindest eine Reaktion.

Aber weißt du, was noch viel besser ist?

Lass uns statt unhöflich zu sein doch einfach mal Folgendes tun:

 

Komplimente verteilen. Denn damit sind wir online viel zu sparsam.

Bestimmt weißt du eine Website oder folgst schon lange einem Account, den du toll und inspirierend findest. Wie wär‘s, wenn du denjenigen das einfach mal wissen lässt?

Wir mundfaulen Deutschen denken ja oft, dass es besser ist zu schweigen, wenn wir nichts wirklich Tiefgründiges zu sagen haben. Doch viele Studien belegen, dass auch ein oberflächliches Kompliment, das ernst gemeint ist, seine Wirkung nicht verfehlt.

Wir Dienstleister rackern uns hier im Web tagtäglich ab, erstellen neue Posts und Blogs und alles und wissen dabei oft gar nicht, wie das eigentlich so ankommt da draußen.

Mit ein bisschen Anerkennung und einem kurzen „Find ich klasse, was du machst“ kannst du jemanden stärken und unterstützen. Wertschätzung kann manchmal eben auch ganz einfach sein. 🙂

Smartphone mit Instragam Texten von Lena Instagram Account

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